Spektakuläre Wirkungen neuer Medikamente oder gefährliche Schadstoffe, die unsere Gesundheit bedrohen: Welche Gesundheitsinformation seriös ist, wird immer undurchsichtiger. Eine Checkliste von Medizin Transparent bringt Licht ins Dunkel.

Von Markus Mittermüller

 

Wirkt Vitamin C tatsächlich bei Erkältungen? Können Bioresonanzgeräte Gesundheitsprobleme feststellen? Und bekommt man mit einer FFP2-Maske weniger Sauerstoff oder atmet sogar zu viel Kohlendioxid ein?

Medizinische Mythen, Heilsversprechen und gesundheitliche Gefahrenwarnungen gibt es viele. Und sie kursieren nicht erst seit dem Boom von Social Media. Die Werbung weckt auf allen Kanälen Hoffnungen mit Behauptungen über neue Behandlungsmethoden. Was davon stimmt und wem überhaupt noch Glauben geschenkt werden darf, ist für den medizinischen Laien oft nicht mehr nachvollziehbar.

Aus dieser Fragestellung heraus ist der Online-Service medizin-transparent.at entstanden. Die Plattform ist ein Projekt von Cochrane Österreich – einem Netzwerk, das sich dafür einsetzt, Entscheidungen in der Gesundheitsversorgung zu verbessern. Cochrane Österreich hat seinen Sitz an der Universität für Weiterbildung Krems am Department für Evidenzbasierte Medizin und Evaluation.

Gesundheitsinfos im Faktencheck

Medizin Transparent nimmt seit 2011 Gesundheitsbehauptungen unter die Lupe und überprüft die wissenschaftlichen Belege dafür. Das Ergebnis dieser Recherchen wird in leicht verständlicher Sprache veröffentlicht.

Doch welche Mythen sind es, die hier beleuchtet werden? „Wir beantworten Anfragen unserer Leser_innen. Um eine faire Auswahl unter der Vielzahl an Anfragen zu treffen, orientieren wir uns unter anderem daran, welche der angefragten Themen am häufigsten auf Google gesucht werden“, erklärt Bernd Kerschner, Projektleiter von Medizin Transparent.

Ist die genaue Fragestellung definiert, durchsucht das Medizin-Transparent-Team mehrere Forschungs-Datenbanken, um alle Studien dazu zu finden. Die Qualität und Aussagekraft der Studien wird mithilfe von Checklisten bewertet. „Auch wenn es zu einem Thema keine Studien gibt, ist das eine wichtige Information. Denn es bedeutet, dass die behauptete Wirkung nie wissenschaftlich untersucht wurde“, erklärt Jana Meixner, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum Cochrane Österreich.

Bernd Kerschner

„Eine vertrauenswürdige Gesundheitsinformation wirbt nicht für bestimmte Medikamente. Entscheidend auch, dass nicht nur eine Behandlung, sondern Optionen aufgezeigt werden. “

Bernd Kerschner

Welche Maßstäbe und Orientierungshilfen gibt es abseits wissenschaftlicher Studien, um den Wahrheitsgehalt von Aussagen über gesundheitsfördernde Produkte selbst herausfinden zu können? Wie unterscheidet der Konsument Fakt von Fake? Kerschner: „Eine wichtige Frage ist immer: Gibt es Werbung auf der Webseite, die Gesundheitsinformationen verbreitet?“ Denn eine vertrauenswürdige Gesundheitsinformation wirbt nicht für bestimmte Medikamente oder Produkte. Auch Links zu Onlineshops sind kein Hinweis auf eine seriöse, unabhängige Gesundheitsseite. „Entscheidend ist auch, dass nicht nur eine einzige Behandlung thematisiert, sondern mehrere Optionen aufgezeigt werden. Auch die Nachteile der unterschiedlichen Behandlungen oder Wirkungen sollten zur Sprache kommen“, sagt der Experte.

Was darüber hinaus eine vertrauenswürdige Information im Netz ausmacht, gilt nicht nur für den Gesundheitsbereich, sondern für alle Branchen. Sind die Autor_innen der Artikel namentlich genannt und haben diese Personen die nötige Ausbildung dafür? Wann wurde die Seite zum letzten Mal aktualisiert und welche wissenschaftlichen Quellen werden genannt, die die Informationen untermauern?

Frei von Emotionen

Nicht nur formal, auch inhaltlich können die Gesundheitsinformationen auf ihre Wertigkeit durchleuchtet werden. „Vertrauenswürdige Infos sind neutral und frei von Emotionen und überschäumender Begeisterung. Wenn ein Anti-Parasitenmittel mit der Warnung wirbt, dass jeder Mensch von Parasiten aufgefressen wird, dann ist das nicht seriös“, sagt Meixner.

Formulierungen wie „zu 100 Prozent wirksam“ oder „ohne jegliche Nebenwirkungen“ sollten die Leser_innen ebenfalls aufmerksam werden lassen. „Produkte, die das erfüllen, gibt es nicht. Nahezu jedes Gesundheitsmittel hat auch Nebenwirkungen. Welche Nebenwirkungen es gibt, sollte klar genannt sein. Falls diese nicht erforscht sind, sollte dieses Manko im Text erwähnt sein“, meint der Medizin-Transparent-Projektleiter.

Eine gute Information verwendet ebenfalls anschauliche und leicht verständliche Zahlen oder Grafiken, um deutlich zu machen, wie gut eine Behandlung wirkt. Beispielsweise, wie viele Menschen von einer Behandlung profitieren, im Vergleich zu einer anderen oder zu gar keiner Behandlung. Für viele Therapien oder Untersuchungsmethoden gibt es keine ausreichenden Belege für deren Wirksamkeit, weil sie nicht oder kaum erforscht sind. Auf solche Unsicherheiten und Wissenslücken sollte eine vertrauenswürdige Gesundheitsinformation auch hinweisen. „Die Werbung gibt Erfahrungsberichte oft als ‚klinische Studien‘ aus, obwohl Erfahrungsberichte nicht aussagekräftig und kein Ersatz für klinische Studien sind“, so Meixner.

Aber auch wenn wissenschaftliche Studien durchgeführt wurden, ist es wichtig, diese differenziert zu betrachten. „Die Wissenschaft liefert nur selten eindeutige Ergebnisse und auch Studien können Mängel haben“, ergänzt Kerschner.

Checkliste für die Praxis

Derzeit arbeitet das Team von Medizin Transparent gemeinsam mit mehreren Departments der Universität für Weiterbildung Krems an einer Checkliste, die medizinische Laien dabei unterstützen soll, irreführende Infos von relevanten Gesundheitsinformationen unterscheiden zu können. „Checklisten gibt es schon viele. Doch es wurde nie überprüft, ob sie auch wirklich hilfreich sind und verlässliche von irreführenden Gesundheitsinformationen unterscheiden können“, sagt Meixner. Das Ziel des Projekts ist es, eine Checkliste anzubieten, die wirklich anwendbar ist und mit der sich auch nachgewiesenermaßen verlässliche von irreführenden Informationen unterscheiden lassen. Im ersten Schritt wird in Einzelinterviews mit Laiinnen und Laien geschaut, welche der Tipps daraus verständlich und anwendbar sind. Am Ende wird überprüft, welche der Tipps auch wirklich auf verlässliche Gesundheitsinformationen zutreffen und auf irreführende nicht. Geplant sind neben der Checkliste, die kommendes Jahr erscheinen soll, auch Erklärvideos, die inhaltlich mehr in die Tiefe gehen.

Keine Empfehlungen

 „Eines der wichtigsten Merkmale, woran man seriöse Gesundheitsinformationen erkennen kann, ist: Vertrauenswürdige Quellen zeigen uns Optionen auf und empfehlen uns nichts. Die Entscheidung soll allein bei den Leser_innen bleiben“, meint Kerschner. Übrigens: Dass Vitamin C bei Erkältungen helfen soll, ist ein populärer Mythos, der jedoch klar widerlegt ist. Bioresonanzgeräte können keine Gesundheitsprobleme und Mängel feststellen und wer eine FFP2-Maske trägt, bekommt gleich viel Sauerstoff wie jemand, der keine Maske trägt.


BERND KERSCHNER
MMag. Bernd Kerschner studierte Psychologie und Molekulare Biologie an der Uni Wien. Seit 2011 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Department für Evidenzbasierte Medizin und Klinische Epidemiologie an der Universität für Weiterbildung Krems. Er leitet medizin-transparent.at.

JANA MEIXNER
Dr.in med. Jana Meixner, MSc studierte Medizin und absolvierte das Master- Studium Verhaltens-, Neuro- und Kognitionsbiologie an der Uni Wien. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Evidenzbasierte Medizin und Medizinredakteurin bei medizin-transparent.at.


WISSENSWERTES
Folgende Webseiten zum Thema Gesundheit sind unabhängig, berücksichtigen ausschließlich die aktuelle wissenschaftliche Studienlage und werden von Medizin Transparent empfohlen:

  • Gesundheitsinformation.de
    Objektive Informationen zu vielen Krankheiten » IQWIG (Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen) Deutschland
     
  • Igel-Monitor.de 
    Informationen zu ärztlichen Leistungen, die nicht von den Krankenkassen (in Deutschland) gezahlt werden » Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. Deutschland
     
  • Krebsinformationsdienst.de
    Unabhängige Informationen rund um Krebs und Vorsorge » Deutsches Krebsforschungszentrum
     
  • Sozialversicherung.at (Stichwort Faktenboxen)
    Nutzen & Risiken medizinischer Behandlungen in konkreten Zahlen » Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger, » Max Planck Institut für Bildungsforschung (Deutschland)
     
  • Patienten-Information.de
    Kurzinformationen und Checklisten für Patient_innen » Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin ( Deutschland)
     
  • Stiftung-Gesundheitswissen.de
    Geprüfte Informationen zu vielen Themen

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