Das Forschungsprojekt und die Ausstellung „Wo sind sie geblieben? Die Frauen von Krems?“ (Idee, Konzept: Martina Scherz, Edith Blaschitz, Gregor Kremser; wissenschaftl. Leitung: Edith Blaschitz, museumkrems 2021) widmet sich der jüngeren Frauengeschichte in Krems. Erforscht und präsentiert wurden bislang wenig beachtete Facetten des Frauenlebens in Krems. Gefunden und präsentiert wurden wenige bekannte und viele bislang unbekannte oder vergessene Persönlichkeiten aus den letzten 150 Jahren.

Kremser Frauen süßer Senf
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Edith Blaschitz

Frauen haben nur selten Eingang in das Gedächtnis der Stadt Krems gefunden. Nur wenige Straßennamen oder Erinnerungstafeln und gar keine Denkmäler wurden namentlich genannten Frauen gewidmet. In Kremser Geschichtsbüchern wurden nur vereinzelt Frauen mit Namen erwähnt – und wenn, dann oft nur als „Mutter von“ oder „Frau von“ und nicht aufgrund eigener Leistungen. Das ist keine Besonderheit der Stadt Krems, sondern gilt allgemein. Frauen waren im 19. Jahrhundert vorwiegend der privaten Sphäre zugeordnet. Sie blieben im Hintergrund und wurden über klassische „Frauentugenden“ wie unterstützend und fürsorglich und die traditionelle Rolle als Ehefrau und Mutter definiert. Berufliche Tätigkeiten waren gesellschaftlich lange nicht anerkannt.
Zu sehen ist die hübsche und in Tracht gekleidete Kremserin und vor allem die „Wachauerin“ meist als stereotyper Bestandteil von lieblichen Wachaubildern. Noch in den 1950er Jahren verfestigten sich in Wachauer Heimatfilmen diese Klischees. Weit von fremdverkehrswirksamen Stereotypen entfernt, waren Frauen allerdings nicht nur für die Familiebetreuung zuständig, sondern arbeiteten auch
in der Landwirtschaft, in familieneigenen Betrieben, in Heimarbeit oder im Kleingewerbe. Als städtisches Zentrum zog Krems Mädchen und Frauen aus dem Umland an. Mit zunehmender Industrialisierung strömten hunderte junge Frauen nach Krems und Stein, um hier in Manufakturen und Fabriken zu arbeiten. So waren etwa in der Tabakfabrik Stein, die 1991 geschlossen wurde, in den 1930er Jahren über 1000 Frauen beschäftigt. Der Einzug der Moderne mit neuen Arbeitsweisen und Lebensgewohnheiten war in Krems stark weiblich geprägt.

Die letzten Tabakarbeiterinnen
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Edith Blaschitz

Eine der Pionierinnen, die schon im 18. Jdht. eine öffentliche Tätigkeit ausübte, ist als Direktorin des ersten Kremser Theaters die heute völlig vergessene Karoline Kämpf (geb. 1754). Vor allem ab dem 20. Jhdt. waren Kremser Frauen auch als Geschäftsfrauen, Pädagoginnen, Juristinnen, Schriftstellerinnen, Künstlerinnen oder Wissenschaftlerinnen aktiv. Um öffentliche Anerkennung zu finden, mussten Frauen allerdings größere Widerstände als Männer überwinden. Oft steckten sie ihre eigenen Karrierepläne zugunsten von familiären Versorgungspflichten zurück wie die Malerin Anna Tischler-Weber (1888-1955). Frauenleistungen wurden nicht nur anders bewertet, sondern sehr viel schneller wieder vergessen. Selbst zu ihren Lebzeiten anerkannte Frauen wie die Sammlerin und Museumskustodin Theresia Rotter (1853-1936) wurden von der männlichen Geschichtsschreibung nicht aufgenommen und gerieten somit in Vergessenheit. Heute ebenfalls kaum mehr bekannt ist die Motorradpionierin Mitzi Nahmer (1892-1979), die bis ins hohe Alter auf ihrem Motorrad in Krems präsent war.

Mitzi Nahmer
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Ernst Kalt

Wenig bekannt ist auch, dass während der NS-Zeit Kremser Frauen im Widerstand aktiv waren, so die Tabakarbeiterinnen Leopoldine Puhl, Leopoldine Ankerl, Marie Malat und Marie Donabauer, die wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ 1942 verhaftet und zu mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt wurden.

Bis heute praktiziert wird hingegen die von Margarethe Schörl (1912-1991) entwickelte Kindergartenpädagogik. Die Stadt Krems würdigte spät ihre international anerkannte Reputation: Im Ausstellungsjahr 2021 wurde die umstrittene Maria-Grengg-Gasse in Margarete-Schörl-Gasse umbenannt.

Die Forschungsarbeit und Ausstellung „Wo sind sie geblieben? Die Frauen von Krems?“ stellen eine Weiterentwicklung des Projektes „DenkMAL! DenkWÜRDIG?! KremserInnen auf der Suche nach ihren denkwürdigen Frauen - ein Projekt im Rahmen der Aktionsreihe RAUMFORSCHERINNEN“ (Konzept und Umsetzung: Martina Scherz, wissenschaftliche Biografienforschung: Edith Blaschitz) dar, das sich bereits ab Herbst 2018 im Kremser Stadtraum auf die Suche nach „denkwürdigen“ Kremser Frauen begibt. Auf der Website raumforscherinnen.at können die für die Ausstellung erarbeiteten bislang 125 Biografien von Kremser Frauen und ihre Spuren in der Stadt abgerufen werden.

Beteiligung:
Die Kremser Bevölkerung wurde eingeladen, an der Sichtbarmachung der „weiblichen Geschichte“ von Krems mitzuarbeiten, Erinnerungen sowie Informationen beizusteuern und damit die Geschichte der Frauen von Krems weiterzuschreiben. Hinweise zu Kremser Frauen konnten online und der „wall of femmes“ im museumkrems deponiert werden. Eine Nennung ist auf raumforscherinnen.at weiterhin möglich.

Edith Blaschitz

Kunst in der Ausstellung: „Sammelt euch!“

In der Ausstellung ebenfalls gezeigt, wurde das Kunstprojekt „Sammelt euch!“ der Künstlerin Iris Andraschek. Inspiriert von der Museumskostodin Theresia Rotter rief Andraschek Kremserinnen auf, Objekte zur Verfügung zu stellen, die sie heute in einem Museum ausstellen würden. Die eingelangten Objekte hat die Künstlerin arrangiert und mit Statements der Spenderinnen versehen.

Sammelt euch - Iris Andraschek
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Edith Blaschitz

Kunst im öffentlichen Raum: „Ich bin hier“

Ausgehend von einer Liste von 105 und Frauen jüdischer Herkunft, die ab 1938 vertrieben wurden, flüchten konnten oder deportiert und ermordet wurden, begab sich die Künstlerin Iris Andraschek auch auf die Spurensuche nach den Schicksalen dieser Mädchen und Frauen. Die Liste wurde im Rahmen der Ausstellung „Wo sind sie geblieben? Die Frauen von Krems“ (2021) von Edith Blaschitz anhand der Forschungen von Robert Streibel, Heinz Arnberger, Hannelore Hruschka, Claudia Kuretsidis-Haider, Friedrich Polleroß, Karl Reder, Doris Steiner, u.a. zusammengestellt und mit eigenen Recherchen ergänzt.

Iris Andraschek recherchierte die letzten Wohnadressen dieser Frauen und Mädchen für die vielteilige Arbeit „Ich bin hier“ und applizierte vor den Wohnadressen mittels Schablonen und Leimfarbe Teppiche, die als Träger biographischer Informationen, von Namen und Tätigkeiten der Frauen dienen. Die Teppiche benennen die Frauen und Mädchen, stellen die Verbindung zur Geschichte her und geben ihnen zumindest für einen Zeitraum ihren Ort zurück. Mit dem Verblassen der Leimfarbe, verflüchtigen sich auch die Verweise auf die aus Krems verschwundenen Frauen und Mädchen.

Weitere Infos: „Ich bin hier“

"Hier bin ich", Iris Andraschek
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Edith Blaschitz

Galerie

Infobox

Wo sind sie geblieben? Die Frauen von Krems? (Sonderausstellung, museumkrems, 2021):
Idee, Konzept: Martina Scherz, Edith Blaschitz, Gregor Kremser
Forschung und wissenschaftl. Leitung: Edith Blaschitz
Inhaltl. Koordination und Ausstellungsmanagement: Sabine Laz
Ausstellungsgestaltung: no mad designers – Doris Zichtl, Georg Bergner
Gefördert von: Stadt Krems

Biografien der Frauen von Krems: https://raumforscherinnen.at/die-frauen-von-krems

Literatur
Blaschitz, E.; Mayr, E.; Oppl, S. (2022). Too Low Motivation, Too High Authority? Digital Media Support for Co-Curation in Local Cultural Heritage Communities. In: Multimodal Technologies and Interaction, 6. no. 5: 33: https://doi.org/10.3390/mti6050033, mdpi

Podiumsdiskussion:
Wo sind die Frauen von Krems?“ (mit Oliver Rathkolb, Sylvia Treudl, Edith Blaschitz,
Moderation: Gregor Kremser“, 15.6.2021),  https://www.youtube.com/watch?v=vhsAmpcpKCQ

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