Die Beschäftigung mit den Kommunikationen in modernen Gesellschaften und die kognitive Metaphernanalyse zeigen, dass es nicht egal ist, wie man über Dinge und Menschen spricht. Die Sprache entscheidet über Steuerung und mögliche Zukünfte mit.

Von Johanna Müller

Der amerikanische Kommunikationsberater Frank Luntz hatte 2002 eine Idee, um für die regierende republikanische Partei ein Problem aus der Welt zu schaffen, das seit Jahrzehnten immer nur größer geworden war: die verschleppte politische Reaktion auf die Veränderung des globalen Klimas. 2001 hatte George W. Bush die US-Unterschrift unter das Kyoto-Protokoll wieder zurückgezogen. Ratifiziert hatten die USA das Protokoll ohnedies nicht, aber Luntz wollte die Republikaner in Umweltfragen sicherheitshalber aus der Schusslinie bringen. Seine Idee: „Es ist Zeit, dass wir von ‚Klimawandel‘ statt ‚globaler Erwärmung‘ sprechen“, heißt es in Luntz‘ Memorandum. Klimawandel klänge in den Ohren von Laien weniger bedrohlich als globale Erwärmung, vor allem aber erwarte die Öffentlichkeit keine sofortigen Maßnahmen, da es sich ja nur um einen Wandel handele und Wandel sei positiv besetzt. „Progressiv“, wie Luntz es ausdrückte, und Fortschritt sei schließlich das, „was die Amerikaner wollen“.

Der Plan ging auf und mehr noch: Luntz‘ „Umetikettierung“, wie er es selbst nannte, wurde weltweit zu dem zentralen Begriff des Klimadiskurses, mit weitreichenden Folgen. Für Österreich konnte Reinhard Steurer, der an der Universität für Bodenkultur in Wien zu Klimapolitik forscht, zeigen, wie der Begriff „Klimawandel“ ab etwa 2003 den zuvor dominierenden Begriff „Klimakatastrophe“ ablöste und damit das Gefühl für die Dringlichkeit von Lösungen verschwand.

Kay Mühlmann

„Kommunikation ist die zentrale Operation unserer Gesellschaften.“

Kay Mühlmann

Kann es tatsächlich sein, dass Sprache so mächtig ist? Wirken sich Sprache und Wortwahl wirklich auf Maßnahmen aus, die in Bezug auf die Klimakrise getroffen oder unterlassen werden? Welche Rolle spielt die Sprache für die Bewältigung von großen Herausforderungen für ganze Gesellschaften?

„Kommunikation ist die zentrale Operation unserer Gesellschaften“, sagt Kay Mühlmann. „Wir reproduzieren auf diese Weise gesellschaftliche Strukturen und synchronisieren unsere Aktivitäten“, erklärt der an der Universität für Weiterbildung Krems forschende Wissenschaftler. Kommunikation ist in diesem Sinne der eigentliche Ursprung von Gesellschaft, ohne sie gibt es Gesellschaft nicht und somit auch keine rechtlichen und politischen Institutionen. Was ist, wenn diese Kommunikation von Konzepten gesteuert wird, die uns nicht bewusst sind?

Die beiden Linguisten George Lakoff und Mark Johnson präsentierten 1980 in einem kurzen Text das zentrale Argument für diese These. Sprache, so schrieben sie, ist kein neutrales Medium, um Information auszutauschen und sich über Sachverhalte zu verständigen. Da jede menschliche Sprache bildhaft sei, schreiben Lakoff und Johnson, werde durch die Sprache ein Bild der Wirklichkeit geschaffen, aber kein Abbild. Die Metaphern, die wir dabei benutzen, bilden nicht die Wirklichkeit ab, sondern die Strukturen und Begriffe unseres Denkens, unsere Vorstellung von der Wirklichkeit. Und mehr noch: Metaphern erschaffen so erst diese Wirklichkeit, die zum Gegenstand kommunikativer Aushandlung werden kann. „The system (der Sprache, Anm.) will tend to make experiences and facts consistent with it noticeable and important, and experiences and facts inconsistent with it invisible“, so Lakoff 2008. Metaphern sind in dieser Lesart wie Scheinwerfer, die bestimmte Konzepte, Erfahrungen und Sachverhalte hervorheben und andere dadurch im Dunkeln verschwinden lassen.

Die Soziologin Larissa Pfaller forscht an der Universität Erlangen-Nürnberg und nutzt die Metaphernanalyse als empirische Methode, um diese kollektiven Denkmuster und Überzeugungen sichtbar zu machen. Auch sie bezieht sich auf die Forschungsarbeiten von Lakoff und Johnson. „Wir haben bestimmte Konzepte von der Welt, die auf Prinzipien beruhen, die wir frühkindlich schon erworben haben“, so Pfaller. „Zum Beispiel teilen wir kollektiv die Vorstellung, dass alles, was oben ist, positiv ist und alles, was unten ist, negativ. Wenn es uns schlecht geht, sind wir depressiv, also nieder-gedrückt. Wenn wir sehr glücklich sind, sind wir sprichwörtlich im siebten Himmel. Diese Vorstellung von oben und unten können wir nicht einfach umdeuten, weil sie auf unseren basalen körperlichen Wahrnehmungen beruht.“

Larissa Pfaller

„Hegemoniale Sprachbilder sind ein Strom, gegen den man nicht ankommt.“

Larissa Pfaller

Für die kognitive Metapherntheorie sind Metaphern Bedeutungsmaschinen: Bedeutung und Sinn entstehen, indem Sprachbilder von einem Quellbereich in einen Zielbereich übertragen werden. Einschlägiges Beispiel bei Lakoff und Johnson ist die Vorstellung von einer Diskussion als Krieg – Argumente werden abgewehrt, Debatten gewonnen oder verloren. Der Krieg oder der Kampf ist hier der Quellbereich, die Debatte das Ziel. Der Quellbereich bestimmt die Bedeutung.

 „Wir müssen uns dabei vor Augen führen, dass uns diese Prozesse nicht bewusst sind, diese aber unser Handeln bestimmen können“, sagt der Kommunikationsforscher Christian Schonert. „Die unreflektierte Nutzung von Metaphern kann deshalb zu Schlussfolgerungen führen, die vielleicht von dem Sprecher oder der Sprecherin nicht intendiert sind.“ Schonert nennt ein Beispiel: „Bei dem Wort ‚Klimaschutz‘ wird ausgeblendet, von wem der Angriff ausgeht. Es findet eine Umkehr statt: Da das Klima ja nicht wie die Natur gerettet werden kann, wie die Natur im Begriff ‚Naturschutz‘, wird hier das Klima wie beim Katastrophenschutz zur Gefahr. Der Mensch wird dabei vom Auslöser der Bedrohung zur rettenden Instanz.“

Im Bann der Emotionen

Wie mächtig bereits eine einzelne Metapher sein kann, zeigten die Kognitionswissenschaftler_innen Lera Boroditsky und Paul Thibodeau 2011 in einem Experiment: Sie fragten die Teilnehmer_innen nach geeigneten Maßnahmen gegen steigende Kriminalitätsraten. Ausgestattet mit denselben Daten und Zahlen, kam die Gruppe, die Kriminalität als „Raubtier“ präsentiert bekommen hatte, zu dem Schluss, dass mehr Polizei, mehr Überwachung und härtere Strafen notwendig sind. Jene Gruppe, der Kriminalität als „Virus“ präsentiert worden war, forderte mehr Bildung und Armutsbekämpfung, um die Gesellschaft „widerstandsfähiger“ zu machen. Im Umkehrschluss heißt dies: Wer das Sprachspiel gewinnt, gewinnt auch den politischen Diskurs. Dies wusste auch Politikberater Luntz: „Eine überzeugende Geschichte, auch wenn sie faktisch falsch ist, kann emotional überzeugender sein als eine trockene Wiederholung der Wahrheit.“

Digitale Bedeutungsproduktion

Eine emotionale Überzeugung lässt sich mit Fakten nicht wieder aus der Welt schaffen. In einer digitalen Gesellschaft, die, wie Kay Mühlmann sagt, „so schnell und unablässig Bedeutung produziert, wie keine andere Gesellschaft zuvor“, liegt darin eine potenzielle Gefahr für die Demokratie: „Die Digitalisierung gibt uns diese Möglichkeit, uns in Echoblasen zurückzuziehen. Dort finden wir Bestätigung. Das täuscht darüber hinweg, dass der Raum, die geteilte Öffentlichkeit, wo wir gesellschaftlichen Konsens herstellen, nicht mehr ausreichend existiert.“ Sind heutige Gesellschaften dann noch in der Lage, mit so großen existenziellen Bedrohungen umzugehen? „Es gibt sehr starke Zentrifugalkräfte in unserer Gesellschaft, die die Synchronisation der Funktionen der Gesellschaft sehr viel schwieriger machen. Wenn die gemeinsamen Handlungen nicht mehr synchronisiert werden können, kommt es zu einer Fragmentierung der Gesellschaften. Das ist das große Problem“, so Mühlmann.

Christian Schonert

„Die unreflektierte Nutzung von Metaphern kann zu Schlussfolgerungen führen, die vielleicht von den Sprechenden nicht intendiert sind.“

Christian Schonert

Hegemoniale Sprachbilder leisten diese Synchronisation, sind aber nur schwer zu verändern. Pfaller vergleicht es mit einem „Strom, gegen den man nicht ankommt“. Dies ändert sich, wenn alternative Erzählungen und Deutungen nicht mehr nur von Einzelnen gebraucht werden, sondern von Vielen. Pfaller: „Metaphern oder Narrative, die nicht mehr auf Resonanz stoßen, laufen ins Leere. In dem Moment wird Veränderung möglich.“

In Bezug auf die Klimadebatte scheint dieser Wendepunkt noch nicht erreicht zu sein. Vielleicht ist es an der Zeit, statt von Klimakatastrophe von der Zukunft zu sprechen, die man sich wünscht, wie Schonert vorschlägt: „Metaphern können eine positive Zukunft – zum Beispiel Städte mit mehr Lebensqualität – in die Gegenwart holen. Dann werden auch die Maßnahmen klarer, die für diese Zukunft notwendig sind.“


KAY MÜHLMANN
Mag. Kay Mühlmann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Department für Wissens- und Kommunikationsmanagement der Universität für Weiterbildung Krems. Er forscht zu komplexen und sozialen Systemen.

LARISSA PFALLER
Dr.in Larissa Pfaller ist Kultursoziologin mit den Schwerpunkten soziologische Theorie und qualitative Methoden. Sie lehrt und forscht am Institut für Soziologie an der Universität Erlangen-Nürnberg.

CHRISTIAN SCHONERT
Christian Schonert, M.A. ist Kommunikations- und Zukunftsforscher in Berlin und befasst sich mit explorativen und normativen Zukünften. Bei dem Berliner Unternehmen Dark Horse ist er als Berater und Moderator tätig. 2021 publizierte er das Buch „Metaphern des Unsagbaren“

LINK

Artikel dieser Ausgabe

Zum Anfang der Seite