Digitalisierung, Fachkräftemangel und ein hochkomplexes Umfeld im Wandel: Das Gesundheitswesen ist herausgefordert. Welche Art von Führung ist verlangt? Welche Kompetenzen brauchen Mitarbeitende und welche Weiterbildung?

Von Lisa Breit

In den kommenden Jahren gehen zahlreiche Mitarbeiter_innen in Pension, und der Fachkräftemangel wird sich weiter verschärfen. Gleichzeitig steigt der Bedarf an guter Gesundheitsversorgung, da die Bevölkerung immer älter wird. Hausärzt-innen, die man seit Jahrzehnten kannte, werden zunehmend von Primärversorgungszentren abgelöst. Zudem schreitet die Digitalisierung weiter voran, und immer mehr hält künstliche Intelligenz auch im Gesundheitswesen Einzug – sei es, um Patient_innentransporte zu planen, radiologische Befunde zu prüfen oder Dienstpläne zu optimieren. Künftig könnte sie auch noch stärker im Operationssaal zum Einsatz kommen. Diese Beispiele zeigen schon: Der Gesundheitsbereich steht vor großen Veränderungen und Herausforderungen.

„Es braucht heute die Fähigkeit, Entscheidungen auch unter Unsicherheit treffen zu können“, sagt Bernhard Kadlec über die Anforderungen an modernes Health Care Management. Der kaufmännische Direktor des Universitätsklinikums St. Pölten betont die enorme Dynamik und Komplexität des Gesundheitswesens. Ein guter Überblick sei ebenso notwendig wie neue Führungsansätze.

Anstatt auf autoritäre Führung zu setzen, sollten Führungskräfte ihre Mitarbeiter_innen ermutigen, eigenständig Entscheidungen zu treffen: „Jeder kennt sich in seinem Fachgebiet wohl besser aus als die oberste Führung. Daher ist es entscheidend, dass Fachexperten über Leadership-Skills verfügen und die besten Entscheidungen für die Patientinnen und Patienten vor Ort treffen.“

Außerdem motiviere gute Führung und erinnere die Mitarbeitenden an den Sinn ihrer Arbeit, so Kadlec: „Man verbessert jeden Tag das Leben von Menschen und leistet einen Beitrag für die Gesellschaft. Wer aber in Arbeit untergeht, verliert leicht den Blick für das große Ganze.“

Soft Skills werden wichtiger

Claudia Mock, Projektleiterin bei der Niederösterreichischen Landesgesundheitsagentur, betont die wachsende Bedeutung von Soft Skills wie Kommunikation, Konfliktmanagement und Teamarbeit: „Diese Fähigkeiten sind unerlässlich, um in belastenden Situationen und bei knappen Ressourcen bestehen zu können.“ Darüber hinaus bräuchten Führungskräfte im Gesundheitswesen Kenntnisse im Finanz- und Change-Management, um Mitarbeitende bei Veränderungen gut mitzunehmen. Zudem müssten Qualitätssicherung und rechtliche Kenntnisse stärker in den Fokus rücken, da Klagen im Gesundheitswesen zunehmen.

Auch die Mitarbeitenden selbst müssen stressresistent und resilient sein, betonen die Fachleute. Die Arbeit im Gesundheitswesen könne belastend sein, und es sei wichtig, die persönliche Widerstandsfähigkeit zu stärken. Nur wer selbst gesund und widerstandsfähig ist, könne gut für seine Patient_innen da sein.

Digital und interkulturell kompetent

Gleichzeitig müssten Mitarbeitende digitale Kompetenzen entwickeln: „Egal ob in der Medizin oder Pflege – man muss in der Lage sein, neue Technologien zu verstehen und anzuwenden“, erklärt Michael Ogertschnig von der Universität für Weiterbildung Krems . Er ist Studienleiter im Bereich Health Care Management am Department für Wirtschaft und Gesundheit.

Neben technologischem Verständnis würden Kommunikationsstärke und Empathie immer wichtiger. „Gerade in stressigen Bereichen wie dem OP braucht es ein gutes Miteinander.“ Statt „Standesdünkel“ brauche es gute Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Berufsgruppen. Auch kaufmännische Kenntnisse seien entscheidend, da der Kostendruck im Gesundheitswesen steige. „Selbst Expertinnen und Experten in ihren Bereichen sollten die betriebswirtschaftlichen Zusammenhänge verstehen“, erklärt Ogertschnig.

Eine weitere zentrale Fähigkeit sind aus seiner Sicht interkulturelle Kompetenzen, gerade in Zeiten des Fachkräftemangels. „Wir holen vermehrt Fachkräfte aus dem Ausland nach Österreich.“ Damit die Arbeit im Team gut funktioniert, sei ein Verständnis für andere Länder, Kulturen und Gepflogenheiten unbedingt notwendig.

Bernhard Kadlec

„Es braucht heute die Fähigkeit, Entscheidungen auch unter Unsicherheit treffen zu können.

Bernhard Kadlec

Laufend weiterlernen

Alle Fachleute sind sich einig: Weiterbildung ist der Schlüssel, um Herausforderungen der Zukunft zu begegnen. „Die zukünftigen Führungskräfte müssen konfliktfähig und kommunikationsstark sein, um die Mitarbeitenden im Unternehmen halten zu können“, sagt Mock. Schon jetzt fehle es an Personal, und der Mangel werde sich noch verschärfen. „Unbesetzte Stellen wird es in allen Bereichen geben – ob im OP, in der Anästhesie oder bei den Fachärztinnen und Fachärzten.“ Weiterbildung sei auch unerlässlich, um digitale Technologien zu beherrschen, wie IT-Systeme, Softwarelösungen oder Datenanalysetools. In der Ausbildung müsse einerseits das Verständnis dafür geschaffen werden, andererseits das Bewusstsein, dass Digitalisierung nicht sofort eine Vereinfachung bringt.

Das Universitätsklinikum St. Pölten etwa bietet ein breites Spektrum an internen Schulungen, wie Kadlec erläutert: „Von einer Expertenschulung zu einem bestimmten medizinischen Thema bis hin zu Persönlichkeitsentwicklung ist alles dabei.“ Außerdem werde auf die Angebote von Unis und Fachhochschulen zurückgegriffen.

Die Qualität der Bildungsangebote hierzulande sei im internationalen Vergleich hoch, so die Befragten. Dass zeige sich auch darin, dass viele Studierende, insbesondere aus Deutschland, für ein Studium nach Österreich kommen. „Unsere Lehrgänge sind sehr innovativ“, meint Mock. Diese Einschätzung teilt Ogertschnig: „Österreich ist gut aufgestellt, was die Ausbildung im Health Care Bereich anbelangt.“

Claudia Mock

„Die zukünftigen Führungskräfte müssen konfliktfähig und kommunikationsstark sein, um die Mitarbeitenden im Unternehmen halten zu können.“

Claudia Mock

Modular und flexibel

An der Universität für Weiterbildung Krems gibt es ein großes Angebot an Weiterbildungen im Gesundheitsbereich. „Wir bieten ein breites, solides Programm für alle Berufsgruppen“, erklärt Ogertschnig. Ein Beispiel ist der neue Studiengang „Health Care Management“, der mit einem Master of Science abschließt. Er ist modular aufgebaut und ermöglicht den Studierenden, ihre Schwerpunkte je nach Berufsfeld flexibel zu wählen. Der Studiengang richtet sich an Ärzt_innen, Pflegekräfte und an Verwaltungspersonal. „Da betriebswirtschaftliche Kompetenzen in allen Bereichen des Gesundheitswesens immer relevanter werden, ist der Studiengang für jede Position sinnvoll“, sagt Ogertschnig.

Ein weiteres wichtiges Angebot der Universität Krems ist der Studiengang für OP-Management. OP-Manager_innen sorgen für reibungslose Abläufe und halten die Kosten im Blick.

Viele Studierende, die an die Universität für Weiterbildung Krems kommen, hätten kürzlich Positionen angenommen, für die sie zusätzliche Kenntnisse benötigen. Oder sie würden eine Beförderung anstreben, klassischerweise Führungspositionen. Das sei gerade auch im OP-Management häufig der Fall.

Technologieaffin und empathisch

Wie sollte nun eine qualitativ hochwertige Weiterbildung gestaltet sein? „Neben der Vermittlung zukunftsorientierter Kompetenzen und der Anwendung innovativer Lehrmethoden ist es vor allem wichtig, dass die Programme neben einem anspruchsvollen Job gut zu bewältigen sind“, sagt Ogertschnig. Flexibilität und klare Struktur seien entscheidend. Zudem müsse ein Programm stets aktuell sein: „Wir laden renommierte Fachexpert_innen ein, die am Puls der Zeit sind.“

Experte Kadlec und Expertin Mock halten einen solchen Praxisbezug ebenfalls für wichtig. Mock: „Die Themen, die gelehrt werden, sollten Themen sein, mit denen man tagtäglich arbeitet.“ Dafür würden Vortragende sorgen, die „aus dem Nähkästchen plaudern“. Nicht zuletzt vermittle eine gute Weiterbildung sowohl menschliche Fähigkeiten als auch technologische Kenntnisse – beides ist im Gesundheitswesen gefragter denn je.

„Eine Fähigkeit der Zukunft liegt darin, diese Gleichzeitigkeit gut aushalten zu können“, hält Kadlec fest. „Das bedeutet zu akzeptieren, dass in einer Situation Technologie gefragt ist und in der anderen Empathie und Zuwendung.“


MICHAEL OGERTSCHNIG
Mag. Michael Ogertschnig, MBA ist Leiter der Weiterbildungsstudien Healthcare Management MSc und MBA der Universität für Weiterbildung Krems und dort wissenschaftlicher Mitarbeiter am Department für Wirtschaft und Gesundheit

BERNHARD KADLEC
Mag. Dr. Bernhard Kadlec ist kaufmännischer Direktor des Universitätsklinikums St. Pölten Lilienfeld. Der Ökonom ist ehrenamtlich Vorstandsmitglied bei der Johanniter-Unfall-Hilfe Österreich und Vortragender an der Universität Krems.

CLAUDIA MOCK
Claudia Mock, MSc MBA, ist Projektleiterin für OP-Harmonisierung bei der Niederösterreichischen Landesgesundheitsagentur. Seit 2021 ist sie Vortragende an der Universität für Weiterbildung Krems.

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