In ihren umfangreichen Forschungsprojekten beschäftigt sich die Soziologin Elisabeth Donat unter anderem intensiv mit Europapolitik, der Rolle von Regionen im EU-Mehrebenensystem, aber auch mit Themen wie Bürgernähe und politisches Vertrauen.
Ilse Königstetter
Das Erkenntnisinteresse, wie Gesellschaft funktioniert und wie man gesellschaftliche Zusammenhänge messbar machen kann, ist ein wesentlicher Antrieb für die Forschungsarbeiten von Elisabeth Donat. Dass sie sich nach der Matura für ein Soziologiestudium an der Universität Wien entschied, erwies sich als gute Wahl: „Vor allem im ersten Studienabschnitt war die Soziologie breit aufgestellt, interdisziplinär und ermöglichte einen ganzheitlichen Blick, der mir jetzt sehr zugute kommt.“ 2004 schloss die Wienerin mit einer Diplomarbeit zum Thema „Lebensqualität älterer Menschen in benachteiligter Umgebung“ ab, 2008 promovierte sie an der Technischen Universität Wien mit einer Dissertation über „Entscheidende Faktoren für die digitale Kluft – eine Tiefenanalyse“. Parallel zum Studium arbeitete Elisabeth Donat zwischen 2002 und 2005 als Studienassistentin, Tutorin und Forschungsassistentin am Institut für Soziologie an der Universität Wien, von 2006 bis 2008 war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Department Wirtschaft und Management Wissenschaften an der Universität für Weiterbildung in Krems (damals Donau-Universität) tätig. Von 2008 bis 2022 fungierte sie als leitende Forscherin an den Universitäten in Innsbruck und Salzburg, sowie als Dozentin am Institut für Soziologie in Wien. 2016 wechselte sie erneut an die Universität für Weiterbildung Krems und bekleidet dort bis heute die Funktion der stellvertretenden Abteilungsleiterin und Dozentin. Von 2021 bis 2023 war sie zwischenzeitlich dort Leiterin.
EU-Politik braucht die Regionen
Arbeiten auf internationaler Ebene ist für Elisabeth Donat eine Selbstverständlichkeit und speziell beim Thema Europapolitik ohnehin Voraussetzung. „Wenn ich morgens meinen Computer einschalte, bin ich nicht mehr in Krems, sondern sofort im europäischen Netzwerk“, berichtet die Wissenschafterin. Dieses zu pflegen und ständig auszubauen, ist ihr ein wichtiges Anliegen: „Ich bin sehr proaktiv und baue Kontakte auf, etwa auch in den osteuropäischen Raum“. In ihren Forschungsprojekten arbeitet sie bevorzugt inter- und transdisziplinär und beschäftigt sich auch intensiv mit der Rolle von Regionen im EU-Mehrebenensystem. So leitete und koordinierte Elisabeth Donat die empirische Forschung des Projektes REGIOPARL, das sich mit der Rolle von Regionen und regionalen Parlamenten in der EU befasste. In diesem internationalen Projekt – die Forschungen fanden in Österreich, Deutschland, Belgien, Frankreich, Spanien, Italien, Polen und Tschechien statt – wurde unter anderem den Fragen nachgegangen, welche Rolle Regionen wie die österreichischen oder deutschen Bundesländer bei der Mitgestaltung europäischer Politik spielen. Oder wie die Abgeordneten ihre eigene Rolle im EU-Mehrebenensystem bewerten. Den wenigsten Bürger_innen ist bewusst, dass die Mehrheit der Gesetze vor allem auf regionaler und kommunaler Ebene umgesetzt werden. Ohne Mitwirkung der Regionen könnte EU-Politik gar nicht realisiert werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Regionen der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten sehr unterschiedlich sind. In manchen können politische Entscheidungen getroffen werden, andere sind nur Verwaltungsgebiete ohne Entscheidungsbefugnis. Was hingegen alle eint, ist die Betroffenheit von Entscheidungen auf der nationalen und der europäischen Ebene. Dr. Donat: „Die Herausforderung für Regionen besteht darin, dass sie nur bedingt in die Entscheidungsstrukturen der EU eingebunden sind und daher nur über sehr eingeschränkte Möglichkeiten verfügen, im europäischen Gefüge aktiv zu sein.“ Dass sich das auf die Motivation, sich zu engagieren, dämpfend auswirkt, liegt auf der Hand. Dennoch zeigen Beispiele wie jenes des Parlaments der deutschsprachigen Gemeinschaft in Belgien, wie sehr Regionen durch grenzüberschreitende Kooperationen – entstanden aus der Notwendigkeit als kleine Region Chancen zu nutzen – letztendlich profitieren können.
Repräsentant_innen erwünscht
In einem weiteren Forschungsbeitrag, den Elisabeth Donat mit ihrem deutschen Kollegen Simon Lenhart von der FernUniversität Hagen zum Thema „Bürgernähe als Quelle für politische Vertrauen“ erstellte, ergab, dass politisches Vertrauen auf einer Ebene (z. B. der lokalen, regionalen oder nationalen Ebene) nicht automatisch auf andere Ebenen – wie die europäische – übertragen werden kann. Und auch, dass persönlicher Kontakt nicht unbedingt der Schlüssel sein muss, um Vertrauen zu generieren. „Wenn die Bürger_innen das Gefühl haben, sie werden in der EU von Expert_innen vertreten, die – etwa auf der Basis sozialwissenschaftlicher Daten oder Forschung – über ihre Lebensumstände Bescheid wissen, ist auch ihr Vertrauen verhältnismäßig groß“, fasst Donat zusammen. Bürger_innen wollen in der Regel nicht selbst aktiv werden, sondern wünschen sich Repräsentant_Innen, die sie gut vertreten. Die aktuellen Forschungen zur direkten Demokratie zeigen, dass viele Menschen diese repräsentative Demokratie wollen und unterstützen. Partizipationsmöglichkeiten auszuweiten stellt weiterhin eine wichtige Säule der Demokratie dar, vielen Menschen kommt aber zusätzlich das Modell der repräsentativen Demokratie als grundsätzlich effiziente Möglichkeit des Entscheidens und Regierens sehr entgegen.
Viel Raum für weitere Forschungen
Für die Wissenschafterin ist klar, dass sich die regionale Ebene als guter Ausgangspunkt für Forschungen zur EU anbietet. „Durch die Beschäftigung mit den Regionen kann man viel erfahren, wie sich Kooperation gestaltet, wie es mit der Solidarität aussieht und auch, welche Werte dahinter liegen“, sagt die Soziologin. Gleichzeitig werden zahlreiche neue Fragen aufgeworfen, die zu untersuchen sich lohnen würden, wie etwa: Welche Menschen werden Abgeordnete und sind bereit, sich für politische Themen einzusetzen? Was steht im Mittelpunkt ihres Interesses? Ist es das Bewahrende oder das Progressive? Und in welchem Verhältnis stehen diese beiden Werte zueinander? Was Dr. Donat besonders interessiert ist, weiter am Verhältnis von Bürger_innen und ihren Repräsentant_innen zu arbeiten, und die Rolle von Zukunftsvisionen zu erforschen, die grundlegend sind, damit eine Gemeinschaft proaktiver agieren kann.
ELISABETH DONAT
Ass. Prof.in Dr.in Elisabeth Donat, studierte Soziologie an der Universität Wien und schloss 2004 mit dem Mag. rer.soc.oec. ab, 2008 Promotion zum Dr.rer.soc.oec. an der Technischen Universität Wien, 2002 bis 2005 Studienassistentin, Tutorin und Forschungsassistentin am Institut für Soziologie an der Universität Wien, 2006 bis 2008 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Department Wirtschaft und Management Wissenschaften an der Universität für Weiterbildung Krems, 2008 bis 2022 leitende Forscherin an den Universitäten in Innsbruck und Salzburg, sowie als Dozentin am Institut für Soziologie in Wien, 2016 bis heute stellvertretende Abteilungsleiterin und Dozentin im Department für Europapolitik und Demokratieforschung an der Universität für Weiterbildung Krems. Von 2021 bis 2023 war sie zwischenzeitlich dort Leiterin.
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