Blockbuster-Ausstellungen konzipieren und als Kontrapunkt dazu Präsentationen mit Werken aus den eigenen Sammlungen zusammenstellen, Retrospektiven kuratieren, ganz neue Räume öffnen: Für die Alumna der Universität, Constanze Malissa, ist die Wiener Albertina ein Paradies.

Von Ilse Königstetter

Ein Sprichwort hat Constanze Malissa schon sehr früh aus ihrem Elternhaus mitbekommen: Wiener_innen absolvieren im Laufe ihres Lebens drei wichtige Besuche des Kunsthistorischen Museums – den ersten mit den Großeltern bzw. den Eltern, den zweiten mit den Kindern und den dritten mit den Enkeln. Ein prägendes Erlebnis, das Constanze Malissa jährlich hatte: „In unserer Familie war es Brauch, jedes Jahr am 23. Dezember das Kunsthistorische Museum zu besuchen“. Dass sie dann im Gymnasium von einer engagierten Zeichenprofessorin und anderen Lehrenden weiter für die Kunst begeistert werden konnte, spielte sicher auch eine Rolle für ihre spätere Berufswahl. „Mit 16 Jahren habe ich meinen Eltern eröffnet, dass ich Fotografin oder Kunsthistorikerin werden möchte“, erinnert sie sich an ihre jugendlichen Ambitionen. Ihre Entscheidung, nach der Matura Kunstgeschichte zu studieren, stieß durchaus auf elterliches Verständnis. „Während meines Studiums war eines meiner zentralen Interessensgebiete die Epoche des englischen Barocks“, erzählt die Kunsthistorikerin über ihre Vorliebe. Eine Präferenz, die schließlich in einer Masterarbeit zum Thema „Das Rollenportrait in England“ gipfelte. Schon während des Studiums jobbte sie nebenbei regelmäßig im Kunsthistorischen Museum als Praktikantin und Kunstvermittlerin, nach dem Studienabschluss dann drei Jahre lang in der Albertina: „Kunstvermittlung in Form von Führungen zu betreiben, zählt bis heute zu meinen Leidenschaften“.

Ein vielversprechender Start

2017 war ihre damalige Chefin für die Realteilung der ehemaligen Sammlung Essl verantwortlich, wobei Malissa sie als Assistenzkuratorin unterstützte. Daraus ergab sich für Constanze Malissa die Chance für eine engere Zusammenarbeit mit Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder, die sich für die Beteiligten kontinuierlich zu einer Win-Win-Situation entwickelte. Für die junge Kunsthistorikerin folgte ein deutlicher Karrieresprung: „2017 wurde ich an der Albertina Assistenzkuratorin und widmete mich zunehmend mehr der zeitgenössischen Kunst“. Im Zuge der Eröffnungsausstellung der Albertina Modern im Jahr 2020 konnte Constanze Malissa ihre professionelle Kompetenz weiter unter Beweis stellen. 2021 wurde sie vom Chef zur wissenschaftlichen Assistentin des Generaldirektors und zur Generalsekretärin der Albertina berufen. Das kann schon als eine Art Ritterschlag gewertet werden, denn als Generalsekretärin ist sie „das Sprachrohr der Direktion“ nach innen und außen. Und der nächste Karriereschritt ist auch schon in trockenen Tüchern. „Ab November dieses Jahres werde ich eine Stelle als Kuratorin für zeitgenössische Kunst antreten und zahlreiche Ausstellungen kuratieren“, freut sich die 34-jährige. Geplant hat sie das genau genommen nicht, es ist einfach so, dass ihr dieses Betätigungsfeld alles bietet, was ihr Freude bereitet. „Ich spreche ungeheuer gerne über Kunst, ich mache gerne Führungen, ich bin an der Forschung interessiert, an den Kunstwerken selbst, sowie an den Künstlerpersönlichkeiten, die hinter den Werken stehen und ganz besonders an der Konzeption umfangreicher Ausstellungen“, skizziert Malissa ihre zahlreichen Interessensgebiete. Aber auch der Umgang mit großen Sammlungen, die in den letzten Jahren in der Albertina ihren Platz gefunden haben und die Malissa von Beginn an mitbetreute und erforschte, wie die Sammlung Essl, die Familiensammlung Haselsteiner oder die Sammlung Choboz, empfindet die Kunsthistorikerin als Privileg. Viele Gründe, warum sie in der Albertina inzwischen tief verwurzelt ist.

Zurück zur Fotografie

Was Constanze Malissa dennoch nie losgelassen hat, ist ihre Leidenschaft für die Fotografie. Zwar konnte sie sich im Studium einen breit gefächerten Überblick verschaffen, insgesamt erachtete sie das Angebot an der Universität Wien als für sie nicht ganz ausreichend. „Da die Albertina über eine herausragende Fotosammlung verfügt und 2015 eine unserer Hallen zur Photogallery ernannt wurde, wollte ich mich in diesem Bereich unbedingt weiterbilden“, erklärt Malissa ihren Impuls, den Masterlehrgang Bildwissenschaften an der Universität für Weiterbildung Krems zu absolvieren. Ihr Ziel, sich ein weiteres Forschungsgebiet und damit ganz neue Perspektiven zu erschließen, hat sie damit erreicht. „Die Vortragenden waren exzellent und die Diskussionsrunden fanden durchwegs in einer inspirierenden Atmosphäre statt“, fasst sie zusammen. Dass sie ihre Masterarbeit über die Fotografin Dora Maar und damit ihren Abschluss in relativ kurzer Zeit realisieren konnte, „verdankt“ sie quasi der Corona-Pandemie, denn unter „normalen“ Umständen wäre das bei ihrer Arbeitsauslastung bedeutend schwieriger gewesen.

Freizeit ist Mangelware

„Seit 2020 habe ich nur sehr wenig Freizeit“, erwähnt Constanze Malissa ganz unbekümmert, „häufig arbeite ich auch am Wochenende“. Verwunderlich ist das nicht, ist doch ihr gesamtes Arbeitsumfeld eine einzige Quelle der Inspiration – und ihr umtriebiger Chef, Klaus Albrecht Schröder, „der mich gelehrt hat, groß zu denken“, ihr Vorbild. Ihm will sie bei allen Aktivitäten jetzt noch tatkräftig zur Seite stehen und sich mit ihm darüber austauschen, wie er Dinge anpackt und umsetzt. Denn 2025 wird Schröder nach 26 Jahren Verdiensten an der Albertina das Haus verlassen. Abwechslung bringen auch ihre Reisen, die sie geschäftlich unternimmt, wie etwa kürzlich nach Südkorea. Und was macht Frau Malissa dort, wenn ein Stündchen Freizeit ansteht? „Ich laufe möglichst durch alle Museen“, berichtet sie lachend. Wieder auf heimischem Boden, geht es rasant weiter. Nicht zuletzt auch deshalb, da sie mit Schröder im April diesen Jahres in kurzer Zeit die Eröffnung des dritten Standortes, der Albertina Klosterneuburg, realisieren konnte. In den drei Häusern der Albertina ist kontinuierlich viel zu tun. Künftig will sie sich als Kuratorin verstärkt der Kunst nach 1945 widmen – und – wenn möglich – für die Albertina zusätzliche Standorte im In- und Ausland generieren.


CONSTANZE MALISSA
Constanze Malissa, MA.,MA., studierte Kunstgeschichte an der Universität Wien und schloss 2013 ab. Im gleichen Jahr startete sie zunächst als Kunstvermittlerin in der Albertina, Wien, ab 2017 dort als Assistenz-Kuratorin. 2021 wurde sie wissenschaftliche Assistentin des Generaldirektors und zur Generalsekretärin der Albertina berufen. Masterstudium Bildwissenschaften an der Universität für Weiterbildung Krems, Abschluss 2021. Ab November 2024 Kuratorin für zeitgenössische Kunst der Albertina.

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