Digitalisierung steht seit einigen Jahren auch bei den Landessammlungen Niederösterreich im Fokus. Das fordert die Vermittlung, bringt aber auch spannende Ansätze, wie die neue Schau zur Kultserie Die Simpson zeigt.
Von Alexandra Matzner
Die Simpsons kommen ins Karikaturmuseum Krems. Möglich macht diesen Angriff auf die Lachmuskeln die Sammlung von William Heeter und Kristi Correa aus Colorado, USA. Seit 35 Jahren begeistern die gelben Figuren aus Springfield ein weltweites Publikum. Handgezeichnete Bilder des Simpsons-Erfinders Matt Groening und Folien für die Filmaufnahmen, so genannte Cels, aus den ersten 13 Staffeln erzählen nicht nur die Abenteuer von Bart und seiner Familie, sondern führen auch in den Produktionsprozess ein.
Die Ausstellung zeigt aber auch die Herausforderungen und Potenziale im Umgang mit Originalen, Digitaldrucken und Online-Präsentationen, denn „Die Simpsons“ werden seit zwölf Jahren nur noch digital produziert. So ist Bart bereits vollständig computergesteuert, während die Handzeichnung noch die Aura des Originals ausstrahlt. In diesem Spannungsfeld zwischen der Bewahrung materieller Kultur, ihrer digitalen Erfassung und Präsentation bewegt sich gerade die Museumswelt.
Österreichs einzige Karikaturensammlung
Das Land Niederösterreich sammelt seit über 20 Jahren Karikatur und satirische Zeichnung mit Schwerpunkt auf Österreich und den deutschsprachigen Raum, aber auch über diesen hinaus. Manfred Deix, Erich Sokol, Gerhard Haderer, Ironimus und viele weitere geben der Sammlung, der einzigen zu diesem Thema in Österreich, ein unverwechselbares Erscheinungsbild. Wissenschaftlich betreut wird dieser Sammlungsbereich seit seiner Gründung von Wolfgang Krug – er ist in den Landessammlungen, kurz LSNÖ, auch für die „Kunst vor 1960“ zuständig – und von Jutta M. Pichler, als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Museale Sammlungswissenschaften. Einst künstlerische Leiterin des Karikaturmuseum Krems, bringt sie heute ihre Expertise bei der Bestimmung und Inventarisierung der Bestände ein. Mittlerweile hat die Sammlung einen Umfang von rund 13.000 Objekten. „Einen neuen Sammlungsbereich aufmachen, ist zunächst einmal ein Schritt ins Ungewisse. Was wird für die Sammlung erreichbar sein? Können wir gegenüber anderen Institutionen aufholen, ein eigenes Profil entwickeln? Eine Menge an Fragen, aber da muss man durch. Mit Deix und Ironimus gab es von Anfang an enge Partner, aber damit auch die Gefahr einer zu starken Prägung bzw. Einseitigkeit. Das wollten wir nicht. Wir wollten die österreichischen Positionen im Kontext zeigen“, so Krug.
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„Strategie und Sammlungskonzept der Landessammlungen NÖ bilden die Basis für unsere Arbeit mit und in der Sammlung.“
Jutta M. Pichler
Herausforderung Digitalisierung
Seit April 2020 ist die Online-Sammlung für die Öffentlichkeit zugänglich. Sie wurde in enger Zusammenarbeit zwischen den LSNÖ und dem Zentrum für Museale Sammlungswissenschaften an der Universität für Weiterbildung Krems entwickelt. Neben der Sammlungsleitung und dem Inventarisierungsteam der Kunstsammlung war das Zentrum für Museale Sammlungswissenschaften bis heute maßgeblich an der Vorbereitung des Digitalisierungsprojektes beteiligt und übernahm auch die Konzeption des Visualisierungstools, das im Oktober 2020 online ging. Dank des ersten Pandemie-Lockdowns konnte das Online-Stellen im Rahmen der Digitalisierungsstrategie des Landes Niederösterreich früher als geplant erfolgen.
„Strategie und Sammlungskonzept der Landessammlungen NÖ bilden die Basis für unsere Arbeit mit und in der Sammlung“, sagt Jutta M. Pichler. „In sämtlichen musealen Aufgabenfeldern – Sammeln, Bewahren, Forschen und Vermitteln – ist modernes Sammlungsmanagement gefragt, vom Erwerb von Objekten, über ihre konservatorische und restauratorische Betreuung bis hin zur Vermittlung von wissenschaftlichen Erkenntnissen in Publikationen und der Präsentation der Objekte im Rahmen von Ausstellungen.“
Herausforderung digitale Karikatur
Nicht nur Trickfilme, sondern auch Karikaturen für Printmedien werden heute zunehmend digital produziert. Dies stellt auch die LSNÖ vor neue Herausforderungen – zusätzlich zur Digitalisierung der reichen Bestände. Hieran knüpfen sich Fragen zur Präsentation digitaler oder digitalisierter Werke, und welchen Mehrwert das Karikaturmuseum Krems den Besucher_innen dadurch bieten kann. Zu den Potenzialen digitaler Darstellungen gehört unter anderem Zeit- und Raumerfahrungen innovativ miteinander zu verknüpfen. Diese spannenden neuen Ansätze kommen vor allem der Vermittlungsarbeit zugute, wie Gottfried Gusenbauer, künstlerischer Leiter des Karikaturmuseum Krems, erklärt: „Bei digitalen Werken ist es etwa einfach, den Prozess des Zeichnens nachzuvollziehen. Man kann dies in Form eines Stop Motion-Videos tun, oder man kann die verschiedenen Ebenen des Werkes zeigen, z.B. die erste Skizze, Outlines, Coloring, Lichtsetzung usw. Ein digitales Werk ist meist ein Spiegelbild der möglichen Software und Algorithmen, während ein analoges Original seine ganz eigene Aura besitzt. Beide verbindet aber der künstlerische Prozess, der letztlich für die Betrachter_innen am interessantesten ist.“
Vom Suchen und Finden
Rund 10.000 Datensätze zu Objekten der Kunstsammlung sind derzeit in der Online-Sammlung zu finden. Die Karikatur bildet dabei ein Unterkapitel. Von den über 13.000 Karikaturen und satirische Zeichnungen der LSNÖ sind aktuell ca. 3.500 Exponate online und bilden ein visuelles Archiv u.a. der Geschichte Österreichs. Ein Kreisdiagramm schlüsselt das Material nach chronologischen und medialen Gesichtspunkten auf.
Die Präsentation der Werke in der digitalen Sammlung ist überraschend, die Zusammenstellung wirkt geradezu kreativ. Eine Stichwortsuche über alle Sammlungen hinweg zeigt alle Objekte mit diesem Keyword. Dies entspricht dem Anspruch der Online-Präsentation, die Vielfalt der Sammlungen - Kunst, Archäologie, Naturkunde und Kulturgeschichte - abzubilden. Gleichzeitig ist es ein lösungsorientiertes und ergebnisoffenes Angebot, das die Sammlungen zu Orten der Diskussion und des Austausches, des Experimentierens und Ausprobierens macht. Dennoch sind allen Beteiligten sich der Grenzen des Vermittelbaren klar bewusst: Digitale Medien sind ein neues aber nicht das einzige Werkzeug, um eine Geschichte zu erzählen oder auch Sensibilität für historisches Material zu wecken.
Innerhalb der Online-Karikaturensammlung lädt ein Drop-Down-Menü dazu ein, eine Auswahl – zum Beispiel an Karikaturist_innen – zu treffen, und so das Ergebnis zu verfeinern. Man muss also die Vertreter_innen der österreichisch-deutschen Szene nicht namentlich kennen, um sich erfolgreich durch die Sammlung zu bewegen. Auch hier zeigt sich, dass die neuen Technologien zum Finden, Stöbern und Geschichtenerzählen eingesetzt werden können. Um damit auch ein breiteres, diverseres Publikum anzusprechen bzw. den kreativen Umgang mit dem Material in Gang zu setzen, bedarf es aktiver Vermittlungsarbeit durch die Institutionen, wie die aktuelle Sonderausstellung zeigt.
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„Ein digitales Werk ist meist ein Spiegelbild der möglichen Software und Algorithmen, während ein analoges Original seine ganz eigene Aura besitzt. Beide verbindet der künstlerische Prozess.“
Gottfried Gusenbauer
Von Springfield nach Zwentendorf
Gottfried Gusenbauer und Kuratorin Anna Steinmair greifen damit das komplexe Verhältnis Österreichs zur Atomkraft auf. 20 österreichische Karikaturen schildern mit spitzer Feder die Entwicklung vom Spatenstich bis zur Volksabstimmung. Im Rahmen der Ausstellung findet mehrmals im Monat im AKW Zwentendorf „Homers Radioactive Tour“ statt. Aufgrund der konservatorisch schwierigen Bedingungen werden dort digitale Prints der „Simpsons“ gezeigt. Damit kann der „digitale Zwilling“ des Originals am historischen Ort präsentiert und auch zur Diskussion gestellt werden.
Das Beispiel zeigt: die digitale Verfügbarkeit von Sammlungsobjekten oder Leihgaben ermöglicht auch die Vermittlung außerhalb des Museums. Digitalisierung im Sammlungsmanagement birgt die Chancen, digitale Zwillinge von den Werken anzufertigen, Unmengen an Daten leicht zu teilen und so die Exponate zum Publikum zu bringen. Die Herausforderungen liegen dabei nicht nur in der (schnellen) technischen Entwicklung und der Formulierung einer Digitalstrategie, sondern auch in der Neuartigkeit der digitalen Vermittlung zwischen Virtual Reality, Augmented Reality, interaktiven Displays und Apps und Gamification.
Die Sammlung im Web: https://landessammlungen-noe.at/de/online.html.
WOLFGANG KRUG
Mag. Wolfgang Krug ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und seit 1999 Kustos der Landessammlungen Niederösterreich. Er leitet die Sammlungsbereiche Kunst vor 1960 und Karikatur. Wolfgang Krug ist Ausstellungskurator und Autor zahlreicher Publikationen.
JUTTA M. PICHLER
Mag.a Jutta Maria Pichler, BA ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Museale Sammlungswissenschaften der Universität für Weiterbildung Krems. Pichler war davor künstlerische Leiterin des Karikaturmuseum Krems.
GOTTFRIED GUSENBAUER
Gottfried Gusenbauer ist ein österreichischer Kurator und seit 2012 künstlerischer Direktor des Karikaturmuseums Krems. Dort gestaltete er die Dauerpräsentation der Ausstellung „Für immer Deix!“ und kuratierte zahlreiche Ausstellungen.
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